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Neuigkeiten-Post Mai 2020

Alles abgesagt. Weitermachen.

Gar nix neu macht der Mai. Wenn mich zur Zeit jemand fragt, was es Neues gibt, sage ich: Nix. Normalerweise würde ich heute vermutlich leicht verkatert von der gestrigen Premierenfeier zu Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ am Theater Duisburg nach Hause wanken. Aber: Nix. Abgesagt. Als Kulturschaffende*r ist man zur Zeit schlicht und ergreifend aufs Abstellgleis geschoben, like Moses in the desert. Wer eine besondere ästhetische Vorliebe für das Wort „abgesagt“ hat, der kann sich gerne mal auf meiner Website das Veranstaltungs-Verzeichnis durchlesen. Was da noch nicht als „abgesagt“ markiert ist, fällt einfach nur in die große Kategorie „Wir wissen halt leider noch nicht, ob wir bis dahin wieder was veranstalten dürfen, denn es sagt uns ja keiner was.“ Das gibt natürlich auch diesem Newsletter ein wenig den Anhauch einer eher akademischen Fingerübung. Aber es ist ja der 1. Mai, und darum sei es mir erlaubt, auch mal die linke Faust in der Tasche zu ballen und ein wenig politisch zu werden.

Oktoberfest und Bundesliga

Ich finde es nämlich schlichtweg eine Unverschämtheit, wie Kulturschaffende derzeit von der Bundesregierung und den diversen Landesregierungen links liegen gelassen werden. Man kann sich ja beispielsweise kurz die Liste der Themen durchlesen, die am 30. April von den Regierungschefs durchdiskutiert wurden. Hier, zum Beispiel. Ganz Recht: Kultur, Theater, Konzerte – das alles findet sich nicht mal in der Rubrik „vertagt aufs nächste Treffen“.

Nun, „mein“ Ministerpräsident Markus Söder hat ja bereits in seiner Pressekonferenz am 16. April eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sich sein Kulturverständnis in Bundesliga und Oktoberfest erschöpft. Dass er am 20. April dann rasch nachgeschoben hat, natürlich werde der „Kulturstaat Bayern“ seine Kulturschaffenden mit 1000€ im Monat unterstützen, hat daran nur wenig geändert. An der entsprechenden Umsetzung wird laut Ministerium für Wissenschaft und Kunst seitdem „mit Hochdruck“ gearbeitet.

Warum mich das so sehr stört? Zum einen weil die Kulturschaffenden buchstäblich die erste Gruppe waren, die von Corona-Maßnahmen betroffen wurden. Veranstaltungen aller Art wurden abgesagt, noch lange bevor Gastronomie, Einzelhandel oder Bundesliga irgendwas zu spüren bekommen hätten. Dass man diese Gruppe dann zum Ausgleich als letzte irgendwie unterstützt oder entschädigt, zeigt, welchen Stellenwert Kultur in unserer Politik hat.

Und zum anderen, weil es auch damit zu tun hat, wie Solo-Selbstständige und Freiberufler in unserem Sozial-System grundsätzlich benachteiligt werden. Während jeder Unternehmer gerade  problemlos Zugang zu Kurzarbeitergeld erhält, darf sich der Solo-Selbstständige anhören, er müsse bitte erst seine privaten Reversen aufbrauchen, bevor er Anspruch auf Unterstützung hätte. Dafür würde man ihm dann aber den Zugang zu Hartz-IV erleichtern. Na, vielen Dank auch. Eine schöne Zusammenfassung dieser Ungleichheiten findet man hier. Ganz Recht, ich verlinke zu ver.di – ist schließlich der 1. Mai.

#stayathomesessions und Online-Impro-Theater

Und ansonsten gilt natürlich das, was auf dem Grabstein von Herbert Marcuse steht: Weitermachen.

Die Reihe von Videos zum Hashtag #stayathomesessions ist mittlerweile beträchtlich angewachsen. Auf Youtube und Facebook erfreut sie sich großer Beliebtheit. Und uns Musikern tut’s einfach gut, wenigstens ein bisschen zusammen musizieren zu können. Wir hoffen, auch euch damit ein wenig die Zeit zu Hause versüßen zu können!

Und ganz stimmt’s dann auch doch nicht, dass es „nix“ neues gibt: Denn Spieltrieb, der Jugendclub des Theater Duisburg, bietet seit zwei Wochen jeden Dienstag Abend um 21 Uhr eine interaktive Live-Impro-Theater-Show auf Facebook an. Die WAZ schreibt: „Das klingt verrückt – und ist es auch. Zum Glück, denn die einstündige Impro-Session ist ein einziger Rausch, von einer abgedrehten Idee geht es zur nächsten, und das höchst unterhaltsam.“ Zur Standard-Besetzung gehöre auch ich als musikalischer Begleiter – schaut gerne mal rein.

Also bleibt aufrecht, hört die Signale und lasst euch nicht die gute Laune verderben!

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Spendier mir eine Tasse TeeSpendier mir eine Tasse Tee

 

(Foto: Selene Candido)